Introvertierte und Extrovertierte funktionieren jeweils in einem natürlichen Modus, der sehr unterschiedlich ist. Diese beiden Modi sind angeboren und anerzogen, sie sind tief in uns drin. Besonders unter Stress tritt dieses dominante Verhalten hervor.
Für Introvertierte bedeutet dies, ein paar Gänge herunterzuschalten, in sich zu gehen, die Situation zu analysieren und erst einmal Sicherheit herzustellen. Extrovertierte hingegen geben Vollgas und wollen die Herausforderung überwinden.
Für beide Seiten ist es jedoch nicht ratsam, nur in dem dominierenden Modus zu leben. Introvertierte, die zu sehr in sich bleiben, neigen zu Frustration, Lustlosigkeit, ja sogar zu Depression. Extrovertierte, die nicht auch mal einen Gang herunterschalten und reflektieren, neigen zum Ausbrennen. Ein Grund mehr also, Stress zu vermeiden, denn dieser zwingt uns in das einseitige Verhalten.
Die natürliche Balance
Für jeden Menschen gibt es ein Niveau an Stimulation, mit dem er sich am wohlsten fühlt und am besten funktioniert. Diese natürliche Balance weicht jedoch von dem oben beschriebenen Extremverhalten ab. Als Introvertierter mag ich für den Moment gern zurückgezogen leben, doch zufrieden werde ich damit nicht. Ich muss also hin und wieder gegen meine Veranlagung arbeiten, um langfristig eine Balance zu finden.
Diese Balance bezeichnen wir mal als „Sweet Spot“, also einen idealen Zustand. Wenn Du Dich in diesem Zustand befindest, wirst Du Dich am besten fühlen und Deine Eigenschaften werden optimal zur Geltung kommen.
Den eigenen Sweet Spot finden
Für mich heißt das, flexibel zu sein, auch mal extrovertiert zu agieren und mich häufig zwischen zwei Polen zu entscheiden:
- Mich nicht nur zurückziehen und das Alleinsein suchen, sondern auch raus gehen und unter Menschen kommen.
- Nicht nur lesen und denken, sondern auch tatsächlich etwas erleben.
- Mich nicht nur mit bekannten Leuten umgeben, sondern auch neue Menschen kennenlernen. Das funktioniert für mich ganz gut beim Reisen.
- Mich nicht nur verschließen, sondern öffnen und verletzbar machen. Das gelingt zumindest über den Umweg des Schreibens.
- Mich nicht nur in meinem bekannten Umfeld bewegen, sondern verreisen und neue Umgebungen kennenlernen. Ich reise viel.
- Nicht alles so machen wie ich es schon immer gemacht habe, sondern Veränderungen erzwingen.
Die meisten meiner Verhaltensweisen sind durch Gene, Erziehung und eigene Erfahrungen geformt. Ich kann (oder muss) mich dennoch jedes Mal entscheiden, wann ich mich auf meinen natürlichen Modus verlasse und wann ich gegensteuern muss, indem ich mich extrovertiert verhalte. Oft weiß ich erst im Nachhinein, ob ich mich richtig entschieden habe.
Es steht für mich jedoch fest, dass alles in dem ich gut bin oder mit dem ich mich im Moment wohl fühle, ausgeglichen werden muss durch Dinge, die ich erst noch lernen muss oder vor denen ich mich sogar fürchte. Das Leben ist ein ständiges Streben nach dieser Balance, nach dem einen Sweet Spot.
> Es steht für mich jedoch fest, dass alles in dem ich gut bin oder mit dem ich mich im Moment wohl fühle, ausgeglichen werden muss durch Dinge, die ich erst noch lernen muss oder vor denen ich mich sogar fürchte.
Das ist interessant.
Genau das, was hier oben steht lerne ich gerade. Die Introvertierte in mir kenne, mag und respektiere ich schon lange, doch sie ist nicht in Stein gemeiselt. Ich kann auch lernen, extrovertierter zu sein, weil beide Persönlichkeitstypen ihre Vorteile haben und ich gerne mehr von der anderen Seite lernen möchte. Einfach für mich selbst. Wie du oben geschrieben hast, um weniger zu denken und mehr zu leben – zur Zeit merke ich, wie viel Zeit man als introvertierte Person in seinem Kopf verbringt. Aber mein Motto zur Zeit ist: heraus aus der Komfortzone, heraus aus dem Kopf und rein ins Leben 🙂