Dies ist ein Gastbeitrag von Yvonne (im Forum bekannt als kurokun). In diesem Artikel teilt sie ihre Erfahrungen aus dem Bürotalltag.
Einen Job zu finden ist heutzutage schwierig genug. Dabei einen Intro-freundlichen zu erwischen, scheint fast ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Viele von uns werden in einem Büro arbeiten mit den unterschiedlichsten Gegebenheiten. Aber was braucht ein Intro eigentlich, um sich an seinem Büro-Arbeitsplatz wohlzufühlen, und was ist eher kontraproduktiv – im wahrsten Sinn des Wortes?
Räumlichkeiten
Ich habe mittlerweile in den verschiedensten Büros gearbeitet und dabei eines festgestellt: Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich ganz allein in einem Raum wohlfühlen, jedenfalls nicht auf Arbeit. Für einen Intro mag das ungewöhnlich sein, aber ich könnte niemals in einem Einzelbüro sitzen, dort würde ich vereinsamen.
In einem Großraumbüro habe ich bereits gearbeitet – ob das funktioniert oder nicht, hängt sehr stark von den Konstellationen und natürlich einem selbst ab. Wenn sehr viel telefoniert oder anderweitig geredet wird, stört auch mich die ständige Ablenkung ungemein. Ich saß damals in einer sehr konzentrierten Umgebung, Gespräche gab es nur hier und da, oftmals war es so ruhig, dass mich die Türklingel regelrecht hat zusammenzucken lassen, wenn der Postmensch kam. Und das bei fünfzehn Leuten mit nicht allzu weiten Wegen zwischen den Arbeitsplätzen.
Am angenehmsten empfinde ich aber kleinere Räume mit bis zu vier Personen. Und nach Möglichkeit einer offenen Tür. Ich mag es, wenn ich am Rande mitbekomme, was so passiert. Das war im Großraumbüro auch nicht schlecht, wenn man nebenher noch erfahren hat, was das Marketing gerade ausheckt.
Fazit: ausprobieren. Ich denke nicht, dass es hier eine Intro-typische Lösung gibt, jeder von uns ist zu unterschiedlich in dem, was er erträgt und mag.
Kollegen
Ganz, GANZ wichtig! Wenn ich mit meinen Kollegen nicht auskomme, bzw. sie nicht mit mir, kann die Arbeit noch so toll sein, ich werde mich niemals wohlfühlen. Es mag Intros geben, die können die Existenz anderer ausblenden, ich gehöre nicht dazu. Die Menschen, mit denen ich mehr als acht Stunden des Tages verbringe, dürfen mich nicht auch noch so anstrengen, dass ich abends halbtot nach Hause komme.
Grundsätzlich ist es natürlich nicht so, dass ein Intro nicht mit einem Extro zusammenarbeiten kann oder die Zusammenarbeit immer furchtbar anstrengend ist. Sie ist anders, aber darauf kann man sich einstellen. In meinem Viererzimmer sitzen neben der extremen Intro (das bin ich), eine extreme Extro, ein Zentro mit Extrodendenz und ein nicht ganz so extremer Intro. Wir vier passen prima zusammen. Mit der Extro-Kollegin gibt es immer was zu lachen und mit dem Intro-Kollegen finde ich immer wieder Übereinstimmungen im Denken und wie wir an Dinge herangehen. Ihn frage ich auch immer gern nach seiner Meinung. Der Zentro-Kollege ergänzt uns als fast neutraler Punkt.
Aber es geht auch anders und dabei muss es noch nicht einmal Spannung zwischen dem Intro und den anderen geben, Spannungen zwischen den anderen Kollegen reichen völlig aus, um den Arbeitsalltag so anstrengend zu machen, dass man beim Aufstehen schon den Feierabend herbeisehnt. Ich war zwei Monate Praktikant in einem Verlag und allein in dieser Zeit kam es immer wieder zu Reibereien und Spannungen wegen irgendwelcher (meiner Meinung nach) Nichtigkeiten. Die Debatten dauerten zum Teil Stunden und führten schließlich so weit, dass eine Kollegin weinend am Boden saß. Keine Übertreibung.
Nun kann man so etwas natürlich nicht vorher wissen oder erahnen, aber wir Intros haben ja oftmals ein feines Gespür für unsere Umgebung. Wenn man also beim Vorstellungsgespräch herumgeführt wird und schon so ein Gefühl hat, dass hier irgendwas zwischen den Kollegen im Argen liegt, sollte man es besser lassen oder nur als Überbrückungsjob ansehen. Ich war extrem froh, als es vorbei war, denn ich war schon soweit, morgens keine Lust mehr zu haben und abends mit dröhnendem Schädel nach Hause zu kommen. Nach zwei Monaten. Man stelle sich das mehrere Jahre vor. Dabei haben die Auseinandersetzungen nicht einmal in unserem Zimmer stattgefunden, trotzdem haben sie mich derart belastet. Tu dir das nach Möglichkeit nicht (lange) an.
Fazit: Wenn du das Gefühl hast, die Kollegen, mit denen du täglich zu tun hast, stressen dich zu sehr, versuche herauszufinden, woran das liegt und ob du etwas daran ändern kannst. Vielleicht reicht ja schon ein Zimmerwechsel oder kleine Pausen ganz allein für dich. Oder du schaffst es, dich so zu arrangieren, dass es dich nicht mehr belastet. Probier es aus!
Konkurrenz und Wettbewerb
Dafür gibt es nur einen Tipp: Versuchen zu vermeiden. Konkurrenzdenken hat in der Regel mit Aufstiegschancen zu tun. Wenn alle auf demselben Level sind, gleich behandelt werden und es kaum bis keine Möglichkeiten gibt aufzusteigen, gibt es auch keinen Wettbewerb – wofür auch, das kostet schließlich Energie. Ich habe das Glück, so einen Job zu haben und ich habe bislang auch immer in Firmen und Abteilungen gearbeitet, in denen nicht gegeneinander, sondern miteinander zu arbeiten wichtig war und honoriert wurde. Diesen Punkt kann man in einem Vorstellungsgespräch sehr leicht abklären, indem man nach den Aufstiegschancen fragt.
Ein wenig anders sieht es aus, wenn sich der Chef leicht durch Gerede beeindrucken lässt und es nicht merkt, dass ruhige Kollegen sogar bessere Arbeit leisten, als die lauten. Hier können Einzelgespräche helfen, wenn man nach einem Meeting seine Gedanken sortiert hat und einem gute Ideen gekommen sind. Wenn ein Chef Interesse an Ideen hat, wird er zuhören. Ansonsten ist ihm eh nicht zu helfen und du solltest über einen Wechsel nachdenken, wenn es dich sehr belastet.
Fazit: wie gesagt, vermeiden.
Besprechungen
Ein schwieriges Thema. Wenn ich nicht den Vorsitz habe, ist das in der Regel kein Problem und ich habe eine ziemlich Intro-typische Herangehensweise. Ich mache mir immer viele Notizen, wenn mir Fragen einfallen, werden sie gestellt, wenn mir eine Lösung einfällt und wir nicht gerade schon drei Themen weiter sind, werfe ich sie ein. Danach schaue ich mir alles an, sortiere meine Gedanken und wenn mir dann noch was einfällt, wofür das Gespräch einfach zu schnell war, ich aber wichtig finde, wende ich mich an den Gesprächsleiter und wenn nötig, wird es an alle weitergegeben. So weit, so gut.
Wenn ich den Vorsitz habe – und das passiert Gott sei Dank maximal zweimal im Jahr – fällt mir vor allem der Einstieg immer sehr schwer. Ich kann nur den Tipp geben, dir jemanden herauszupicken, der es deiner Meinung nach gut macht, und dir anzusehen, was genau er denn eigentlich macht. Der Rest ist Übung. Klingt einfach, ist es nicht. Jedenfalls nicht für einen Intro, der es hasst, im Mittelpunkt zu stehen. Viel Erfolg!
Fazit: Wenn es dir schwerfällt: üben. Ansonsten: Herzlichen Glückwunsch.
Pausen
Man mag es kaum glauben, aber ich empfinde Pausen als wirklich schwieriges Thema, insbesondere die Mittagspause. Diverses habe ich bereits ausprobiert und interessanterweise stelle ich mich in jeder Firma neu auf die Pause ein.
Während meines Studienpraktikums hatte ich mich mit einer Extro-Kollegin angefreundet, die die Pausen immer (es sei denn, das Wetter spielte nicht mit) außerhalb der Firma verbracht hat. Teilweise haben uns andere Kollegen begleitet, der harte Kern hatte sich auf drei eingepegelt. Ich empfand das als äußerst angenehm. Ich musste nicht reden, wenn ich keine Lust hatte, wir konnten auch mal schweigend und die Sonne genießend zu dritt im Park sitzen oder ich hörte einfach zu ‒ zwei Extros und ein Intro. Es geht!
Während des bereits unter „Kollegen“ erwähnten Praktikums war es üblich, sich zum Mittag in der Küche zusammenzufinden. Es wurde praktisch erwartet und wenn man nicht teilnahm, hatte man besser viel Arbeit zu erledigen. Ich empfand diese gezwungenen Essen als genau das: gezwungen und unangenehm. Man unterhielt sich über dies und das und ich saß meist dabei und wollte einfach nicht reden, habe aber durchaus zugehört. Wie gesagt habe ich mich dort nicht sonderlich wohlgefühlt. Jeder Intro dürfte das kennen: Wenn man sich in einer Umgebung nicht wohlfühlt, bleibt man zugeknöpft. Wenn auf einen gedrängt wird, beendet man eher das Essen oder gibt eine einsilbige Antwort. Am Ende des Praktikums wurde auch entsprechend meine Teilnahmslosigkeit beim mittäglichen Plausch bemängelt. Damals wusste ich noch nicht, dass ich Intro bin. Mittlerweile weiß ich, dass ich völlig im Einklang mit meiner Introversion reagiert habe.
Heute lege ich nur noch selten Mittagspausen ein – und das ist keine Empfehlung oder Anleitung zum Nachmachen! Ich weiß, es ist nicht gesund und man sollte das nicht tun. Aber es stört mich. Essen während der Arbeitszeit ist für mich mittlerweile sehr ermüdend. Hin und wieder tue ich es noch, allerdings nie zu den Stoßzeiten und in der Firma. Ich arbeite für eine große Firma mit entsprechend vielen Mitarbeitern. Zu den Essensstoßzeiten sind die Tresen voll und man versteht teilweise sein eigenes Wort nicht. Bedeutet: noch mehr Stress und Anstrengung, dabei soll man in der Pause ja Energie tanken. Wenn ich Mittag esse, suche ich mir zwei, drei Kollegen, von denen ich weiß, dass ich mich mit denen auch gut unterhalten kann, und gehe irgendwohin, wo es möglichst ruhig ist. Eine Kantine oder Mensa eignet sich demnach überhaupt nicht. Wenn es schon später ist, kann man sich das Essen auch wieder in die Firma mitbringen und hat seine Ruhe. Wenn es nur eine Kleinigkeit ist, esse ich es neben der Arbeit.
Fazit: ausprobieren, was für dich funktioniert. Es soll auch Leute geben, die ihre Pause im Auto, Abstellraum, Keller oder wo auch immer verbringen, um ihre absolute Ruhe zu haben und ihre Batterien aufladen zu können. Wenn es dir hilft, ist alles erlaubt.
Ablenkung
Ein sehr schöner Begriff in diesem Zusammenhang ist Multitasking. Wie Patrick schon in einem Beitrag schrieb: Das gibt es nicht. Aber im Büro wird es von einem erwartet und heraus kommt, dass man irgendwas vergisst, verwechselt oder die doppelte Zeit für eine einfache Aufgabe braucht.
Ich muss zugeben, ich habe den richtigen Umgang mit diesem Schrecken der modernen Arbeitswelt auch noch nicht gefunden und in meinem aktuellen Job werde ich ständig abgelenkt. Es ist sehr schwer konzentriert zu bleiben, wenn Mails reinploppen, das Telefon klingelt, ein Kollege vorbeischaut und alle wollen, dass man sich um ihre Belange sofort kümmert, obwohl man eigentlich was völlig anderes machen wollte. Ich war schon einige Male gewillt, Thunderbird einen Tag lang nicht zu öffnen und das Telefon auszustöpseln. Wer was will, soll vorbeikommen. Falls das für dich keine größeren Konsequenzen hat: tu es! Zumindest für ein paar Stunden. Ich fürchte, bei mir gäbe das eine Verwarnung von ganz oben.
Eines habe ich mir mittlerweile angewöhnt: Wenn ich weiß, dass ich an diesem Tag eine bestimmte, länger dauernde Aufgabe zu erledigen habe oder mehrere Aufgaben, die zu einem Gebiet gehören, dann lege ich sie mir auf den späten Nachmittag und kann in Ruhe bis abends durcharbeiten. Meistens jedenfalls. Wenn du eher ein Morgenmensch bis, dann nimm es dir als erste Aufgabe des Tages vor. Ansonsten helfen mir meine Notizen, welche Aufgaben noch zu erledigen sind, und mein Kalender, in den ich alle Termine eintrage. Beides wird täglich mehrmals geprüft und Fertiges abgehakt. Zumindest vergesse ich so nur sehr selten was.
Fazit: Lerne, mit den täglichen Ablenkungen umzugehen, probiere Taktiken, die dir dabei helfen können, denn abschalten lassen sich die Ablenkungen nur selten.
Nachtrag von Patrick: Vielen Dank an Yvonne für diesen Beitrag! Ich teile nicht jede der hier genannten Meinungen, aber nicht jeder Introvertierte ist gleich. Ich hoffe ihr könnt für euch einiges mitnehmen!
Welche Erfahrungen habt ihr im Büroalltag gemacht? Habt ihr Tipps und Tricks, um besser durch den Tag zu kommen und unseren Präferenzen gerecht zu werden?
Ich habe mir einen Ort (in dem Fall ein kaum benutztes Treppenhaus) für kleine Pausen gesucht. Da kann ich mal 5min auf der Treppe sitzen und aus dem Fenster schauen, ohne dass jemand vorbeikommt. Mir hilfts.